Sherlock Holmes jagt Jack the Ripper
Zum insgesamt fünften Mal können wir nun in die Rolle des Sherlock Holmes schlüpfen und nachdem wir 2006 Arsène Lupin zur Strecke gebracht haben, machen wir nun Jagd auf den mörderischen Jack the Ripper. Damit ist das Setting festgesetzt: Wir befinden uns im London des späten 19. Jahrhunderts. Und während die Herren Holmes und Watson sinnieren, passiert da draußen ein schrecklicher Mord, der sie nicht länger in der Baker Street verweilen lässt, sondern beide dazu veranlasst, umgehend ihre Ermittlungen aufzunehmen. Schon sind wir mitten drin im Geschehen und im grauen Stadtteil Whitechapel, der den Hauptschauplatz für die nächsten überaus spannenden Stunden darstellt. Denn was rein atmosphärisch auf uns wartet, zeichnet sich schon in den ersten Spielminuten ab. Das kalte und verarmte Whitechapel begegnet uns grau in grau. Bei dem Versuch, sich in den Gassen zu orientieren, wird wohl ein jeder Spieler von diesem beklemmenden Gefühl heimgesucht, welches der treue Begleiter für die nächsten Stunden sein wird. Heruntergekommene Fassaden wohin man schaut, Staub, der bei jedem Schritt aufgewirbelt wird und Obdachlose, die am Straßenrand um ein bisschen Kleingeld betteln, bestimmen das Bild. Dabei wurde an Effekten nicht gespart, so dass die ärmlichste aller ärmlichen Gegenden noch mehr den Touch eines fürchterlichen Slums bekommt. Atmosphärisch ist den Entwicklern hier der ganz große Wurf gelungen - Grusel und Beklemmung im Wechselspiel mit Mitgefühl und dem Wissen, dass nur analytisches Vorgehen zum Ziel führt - herrlich!
Holmes und Watson nehmen die Fährte auf, doch eh sie überhaupt den Hauch eines Hinweises oder eines Täterprofiles haben, wird schon die nächste Prostituierte zur Strecke gebracht. Schnell wird klar: Die Jagd nach Jack the Ripper ist nicht nur die gruseligste und vor allem blutrünstigste aller bisher dagewesenen Sherlock Titel, sondern zudem macht sich Unruhe breit. Ein subjektiv empfundenes Spiel gegen die Zeit, jene Hektik, die man sonst nur bei Timingrätseln verspürt, kommt auf und hält den Spieler bis zum bitteren Ende gefangen. Das Bedürfnis, möglichst schnell alle Informationen zusammenzutragen, eh weitere leichte Damen dem grausamen Mörder zum Opfer fallen, wird zum Ziel höchster Priorität auserkoren und das, ohne objektiv wirklich einem Zeitdruck zu unterliegen.
Die Geschichte orientiert sich dabei nicht nur an den sagenumwobenen Geschehnissen aus dem Jahre 1888, sondern sie gibt sie teils sogar sehr präzise wieder. Viele bekannte und pikante Details finden sich im Spiel wieder. Die Namen der tatsächlich hingerichteten Frauen, über deren berufliche Ausrichtung, die Art der Verletzungen, die ihnen zugefügt wurden, bis hin zu Indizien, die die Polizei zur damaligen Zeit aufspürte. All das und noch vieles mehr findet sich auch im Spiel wieder. Geschickt wurden dabei die Rollen des Sherlock Holmes und Doktor Watson in die Geschichte, als zunächst im Hintergrund agierende Ermittler, verwoben, so dass viele als gesichertes Wissen geltende Fakten unberührt und unverändert erzählt werden können. Somit wird zum ersten Mal eine in großen Zügen realitätsnahe Geschichte erzählt, was der Spannung durchaus zuträglich ist.
Zusätzlich wird der Spieler mehr denn je in das Geschehen eingebunden, indem er selbst logische Verknüpfungen herstellen, und ermittelte Informationen in einen Zusammenhang bringen muss. Hier kommt das Rekonstruktionsfenster ins Spiel: Alle wichtigen Fakten werden in Kästchen dargestellt. Der Spieler muss jeweils aus 3 sich daraus ergebenden Folgerungen die Richtige wählen. Erst wenn alle Informationen logisch miteinander verknüpft sind und jede noch so kleine Folgerung auf den Punkt gebracht wurde, können die Ermittlungen erfolgreich fortgesetzt werden. Darüber hinaus muss nun auch der Tathergang genauestens rekonstruiert werden. Holmes übernimmt dabei die Rolle des Täters, während Watson als Opfer herhalten muss. So spielen die beiden den Tathergang nach, wobei die vom Spieler vorab vorgenommenen Einstellungen als Handlungsrahmen dienen. So können beispielsweise die Position der Beiden und die Tatwaffe ausgewählt werden. Wenn alle Einstellungen korrekt vorgenommen wurden, bedankt sich Sherlock in gewohnter Manier, indem er uns seine daraus resultierenden Ergebnisse präsentiert. Somit liegt es nicht nur in der Hand des Meisterdetektivs den Fall zu lösen, sondern auch der Spieler selbst kann sich in der Rolle des Chefermittlers erproben.
Bei der Untersuchung der Opfer kam, wohl auch und insbesondere in Hinblick auf die Altersfreigabe, ein sonst für das Spiel unüblicher Comicstil zum Einsatz. So präsentieren sich die Leichen nicht als wahrhaftig leblose Körper, sondern als gezeichnete Figuren. Allerdings kommt dies nicht ausschließlich der Altersfreigabe zu Gute sondern besonders dem Wohlbefinden des Spielers, denn selbst der Anblick der so eher harmlos gestalteten Opfer lehrt einen das Grauen.
Neben diesen Neuerungen setzt man in Sachen Rätseldesign auf Altbewährtes. In abwechslungsreicher Manier kommen Kombinationsrätsel ebenso zum Einsatz wie das Knacken von Codes oder Schiebepuzzles. Allerdings mit einem durchaus merklichen Unterschied zu den Vorgängertiteln. Im Gespräch mit dem Entwickler kamen die Beweggründe zutage: Man habe auf die Kritik des letzten Spiels reagiert und sich bemüht, das Rätseldesign eher auf einem etwas niedrigeren Schwierigkeitsgrad anzusiedeln. Ob man sich auf dem Weg hin zur Massenkompatibilität einen Gefallen getan hat ist allerdings fraglich, denn damit hat der neuste Titel aus dem Hause Focus Home auch eine echtes Markenzeichen verloren: Rätselfans werden es schwer haben eine echte Herausforderung zu finden. Doch nicht nur das, die bisherigen Sherlock Titel, insbesondere "Die Spur der Erwachten" hoben sich durch ebendiese ausgeklügelten, oftmals äußerst schwierigen Knobeleien ab. Und auch wenn man einige neue, innovative Rätsel integriert hat, so bleibt ein etwas fader Beigeschmack und die traurige Gewissheit in Sachen Rätseldesign mit Mainstream konfrontiert zu sein.
FAZIT:
Ein wahrhaftiges Vergnügen, den neuen Sherlock zu spielen. In Sachen Atmosphäre macht den Entwicklern von Focus Home keiner etwas vor, das stellen sie ein weiteres Mal brillant unter Beweis. Doch nicht nur das, auch ist es ihnen großartig gelungen, dem Meisterdetektiv Holmes und seinem treuen Begleiter Watson, einen perfekten Platz im Mysterium Rund um Jack the Ripper zu verleihen und dabei erstaunlich nah an den Fakten zu bleiben. Man hat den Mut bewiesen, Neuerungen zu implementieren und ruht sich nicht ausschließlich auf dem bewährten und funktionierenden Konzept aus. Doch insbesondere die Herabsetzung des Schwierigkeitsgrades kommt dem Spiel nicht zu Gute. Es ist ein bisschen wie das fehlende Salz in der Suppe.
Doch gibt es reichlich Highlights, die dieses Manko ausgleichen, ja, eigentlich sogar wiedergutmachen, so dass ein Spiel auf uns wartet, das sich vor allem durch ungeahnte Spannung und selten dagewesene atmosphärische Dichte auszeichnet. Und ein Wunsch bleibt, wie nach Beendigung eines jeden Sherlock Titels bestehen: Nachschub, bitte!!!!
Credits:AdventureInsel.de